Landtagsabgeordnete Brems stellt Fragen zum Fall Tönnies an Landesregierung

Die Landtagsabgeordnete Wibke Brems aus Gütersloh stellt zusammen mit Mehrdad Mostofizadeh und Norwich Rüße Fragen an die Landesregierung, zum Thema Vernachlässigung von Arbeits- und Infektionsschutz auf Kosten der Bevölkerung: Wie wird die Firma Tönnies zur Verantwortung gezogen?

Die hohen Infektionszahlen in der Tönnies-Belegschaft mit dem Corona-Virus haben im Juni dazu geführt, dass sich alle rund 7.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma Tönnies und ihrer Subunternehmen in Quarantäne begeben und dort teilweise von Hilfsorganisationen versorgen lassen mussten. In den Kreisen Gütersloh und Warendorf wurden Einschränkungen des öffentlichen Lebens wie z.B. strengere Kontaktbeschränkungen, Kita- und Schulschließungen verhängt, um die weitere Verbreitung des Virus‘ zu verhindern.
In der Plenarsitzung am 24. Juni erklärte Minister Laumann, dass der Arbeitsschutz bei Begehungen im Mai 2020 mehrfach Mängel wie die Unterschreitung des Mindestabstands während der Tätigkeit sowie das fehlende Tragen einer Mund-Nasenbedeckung festgestellt und in mehreren Werkswohnungen mittlere und gravierende Mängel wie Schimmelbefall und ähnliches beanstandet habe. Aus mehreren Medienberichten
(z. B. in der WDR-Sendung Westpol vom 21.06.) wurde bekannt, dass auch in der Werkskantine keine Umsetzung der Abstandsregelungen stattfand.
In einem Schreiben der Stadt Rheda-Wiedenbrück vom 23. April an die Grüne Ratsfraktion heißt es, „Der Kreis Gütersloh und das Land NRW haben in Abstimmung festgestellt, dass Tönnies einen Versorgungsauftrag als Unternehmen mit kritischer Infrastruktur hat, was dazu führt, dass nicht an allen Stellen der Mindestabstand gewährleistet werden kann, um die notwendige Produktion fortzusetzen. Der Schutz der Mitarbeitenden
wird, so Tönnies, aber auch unter diesen Voraussetzungen bestmöglich
gewährleistet.“
Während der Aussprache zur Aktuellen Stunde und in der Fragestunde im Landtag am 25.06. sowie in einer Sondersitzung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales am 26.06. kam heraus, dass die Stadt Rheda-Wiedenbrück mit oben genanntem Schreiben eine „Fehlinterpretation“ (so das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW) der Firma Tönnies zu der Einstufung als systemrelevantes Unternehmen und einer damit vermeintlich einhergehender Erlaubnis, den Mindestabstand nicht
überall einhalten zu müssen, übernommen hat (siehe Kleine Anfrage Nr. 4019, Drucksache Nr. 17/10105). Die Frage danach, ob diese rechtswidrige „Fehlinterpretation“ von Seiten Tönnies‘ vorsätzlich erfolgte und wie solche deutlichen Unterschiede in der Auslegung zwischen der Landesregierung und dem Unternehmen zustande kommen konnten, wurde noch nicht geklärt.
Dass die Firma Tönnies und einige ihrer Subunternehmen in dieser Situation die Erstattung von Lohnkosten durch das Land Nordrhein-Westfalen für die Quarantäne-Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz beantragt hat, sorgte für allgemeines
Unverständnis in der Politik. Auch der Landrat des Kreises Gütersloh, Sven-Georg Adenauer, sagte „Rechtlich hat er natürlich diese Möglichkeit. Moralisch sollte er sich gut überlegen, ob er das macht.“ (WDR, 12.07.)

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
1. Gegen die Firma Tönnies wurde mehrfach Strafanzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung gestellt. Inwiefern wird aufgrund dieser Anzeigen ermittelt, ob eine Straftat begangen wurde?
2. Unter welchen Maßgaben kann Unternehmen, die gegen das Infektionsschutzgesetz verstoßen, die Lohnerstattung für Quarantäne-Maßnahmen verwehrt werden?
3. Welche Möglichkeit – oder sogar Pflicht – besteht für das Land Nordrhein-Westfalen, die Firma Tönnies für die Entschädigungszahlungen nach § 56 I IfSG in Regress zu nehmen, wenn sie fahrlässig oder sogar vorsätzlich gegen die CoronaSchVO verstoßen hat?
4. Sind die Verträge der Mitarbeitenden der bei Tönnies tätigen Subunternehmen so gestaltet, dass sie auch während der Quarantäne Lohn erhalten und das Unternehmen entsprechend Lohnerstattungen beantragen kann?
5. Die Einstufung als systemrelevantes Unternehmen hat die lokalen Behörden möglicherweise dazu verleitet, die Umsetzung der Infektionsschutzmaßnahmen nicht so genau zu überprüfen. Welche Folgen hat dies für den Anspruch auf Lohnerstattung nach dem Infektionsschutzgesetz?